Romanschnipsel aus „Die rote Tür“

Auf zum Showdown. Ilaro hat Nadim gestellt. Und jetzt hat er Spaß.


Der Kampflärm kam aus einer der Höhle etwas näher am Hafen. Ilaro sah mehrere Gestalten im Mondlicht, die einander umkreisten, im Hintergrund lag ein unförmiges Bündel auf dem Sand. Er rannte los und versuchte, sich im Näherkommen ein Bild zu machen. Einer der Kämpfenden war ganz eindeutig Nadim, an seiner Seite focht ein weiterer Mann, ihnen gegenüber stand ein hochgewachsener Kerl und wirbelte einen Klingenstab herum, mit dem er sich Nadim und seinen Verbündeten zugleich vom Hals hielt und versuchte, die beiden nicht aus der Höhle herauszulassen, die sich hinter ihnen im Felsen öffnete.
„Nadim!“ Ilaro brüllte den Namen, schlitternd kam er neben dem Mann mit dem Klingenstab zum Stehen und ging mit gezogener Klinge in Stellung.
„Macht mit dem anderen, was Ihr wollt, aber der da gehört mir!“
Der Kerl mit dem Klingenstab grinste und salutierte. „Silberfuchs!“
„Derselbe!“ Er machte einen Ausfall in Nadims Richtung, versuchte, ihn von seinem Kumpanen zu trennen und ihn zugleich von Shayan wegzubekommen, der reglos im Sand lag, Blut schimmerte dunkel in seinem Haar und auf der blassblauen Haut. Ilaro hielt sich daran fest, dass der Shariach nicht tot sein konnte – Nadim würde sein Juwel nicht töten, und Ilaro hätte den Tod des Shariach gefühlt. So sehr er es hasste, gebunden zu sein, was das anging, war das Band nicht ganz unnütz.
Nadim lachte, aber seine Stirn glänzte schweißnass und sein Atem ging stoßweise. Er hatte Shayan bis hierher geschleppt, hier musste ihn sein Verbündeter in Empfang genommen haben und dann hatte der Mann mit dem Klingenstab ihn überrascht.
„Meerfee?“ rief Ilaro dem Klingenstabkrieger zu, und dieser nickte, zugleich wirbelte er den Stab herum und Nadims Kumpan duckte sich in letzter Sekunde, bevor das scharfe Messer ihm in den Hals dringen konnte. Der Mann knurrte, versuchte, an den Klingenstabkerl heranzukommen, aber der hatte einfach den besseren Stand – er war größer und er hatte die längere Waffe. Ilaro ging davon aus, dass der Seemann seinen Gegner allein bewältigen konnte, und konzentrierte sich ganz auf Nadim.
„Gib auf“, knirschte er zwischen den Zähnen, „ergib dich und ich sehe vielleicht davon ab, dich aufzuspießen. Nura ist gefangen. Du hast verspielt. Was auch immer passiert, wir werden dich kriegen!“
„Sei dir da… nicht so sicher, Silberfuchs!“
Ilaro machte einen weiteren Ausfall, Klinge prallte auf Klinge, als Nadim nicht ganz ungeschickt parierte und seinerseits einen Ausfallschritt machte. Ilaro tänzelte rückwärts und ließ sein Rapier wieder vorschnellen, es blitzte im Mondlicht.
„Womit willst du mich aufhalten, Tänzer? Ich sehe keine Armee, nur einen einzigen Mann, der gerade versucht, sich nicht umbringen zu lassen!“
Nadim gelang ein Grinsen. „Warte es ab…“
Der Tänzer tanzte, während er focht. Seien Schritte woben ein Muster, seine Füße tanzten Formen in den Sand, sein Rapier – Ilaro sah es, als es schon beinahe zu spät war. Nadim legte es gar nicht darauf an, ihn zu treffen, er focht einen Tanz und tanzte im Fechten, nicht auf Shayan zu, sondern um ihn herum!
„Nein!“
Ilaro schrie auf, als er die erste Rune blau im Sand aufflammen sah, „Nein! Du Wahnsinniger!“
Nadim lachte. Seine Augen weiteten sich, da war nichts Dunkles mehr in ihnen, nur noch ein beinahe irres blaugrünes Flackern, als sich die nächste Rune in blauem Feuer in den Sand fraß.
„Nadim, nicht!“ Ilaro drang wieder auf ihn ein, diesmal legte er es darauf an, ihn zu treffen, er ließ seine Klinge auf die des Tänzers prallen, durchkreuzte seine Muster, trat nach seinen Füßen. Nadim keuchte, als die nächste Rune direkt unter seinen Füßen aufleuchtete und sofort zu Asche zerfiel, als Ilaros Klinge sie durchstrich wie die Feder eines Lehrers ein falsch geschriebenes Wort auf dem Pergament des Schülers. Das Gesicht des Tänzers verzerrte sich vor Wut und… war es Angst, die in Nadims Augen aufflammte? Ilaro sah nur noch Nadims Augen. Der Tänzer focht und tanzte weiter und achtete kaum auf das, was um ihn herum geschah, er schien nur Ilaro wahrzunehmen – aber Ilaro sah sie, die winzige Bewegung in der Mitte des Kreises, als Shayan eine Hand ausstreckte und seine bebenden Finger um einen Stein schloss, der gerade eben in seine Hand passte. Ilaro versuchte, nicht zu Shayan zu blicken, er zwang sich, Nadim anzusehen, sprang vor, seine Klinge schabte über Nadims, das Rapier des Tänzers zuckte hoch und Ilaro spürte einen kalten, schneidenden Schmerz an seiner Schulter. Blut floss, er ignorierte es, knurrte und schob sich näher an den Tänzer heran, jetzt spürte er Nadims keuchenden Atem in seinem Gesicht. Der Tänzer lachte. Ilaro stand zu dicht vor ihm, er konnte nichts ausrichten mit seinem Rapier – doch Nadim ebensowenig.
„Patt“, murmelte er. „Gib auf, Nadim, das ist Wahnsinn, lass es!“
„Niemals!“
„Auch gut…“
Ilaro fühlte den Stein, als läge er in seiner eigenen Hand. In seinen Gedanken formte sich ein einziges Wort.
Jetzt.
Shayan rollte sich herum, kam auf die Beine und warf.
Mit einem seltsam trockenen Laut prallte der Stein an Nadims Hinterkopf. Die Augen des Tänzers weiteten sich ein letztes Mal, jetzt in ungläubigem Staunen, ein Mund öffnete sich zu einem stummen Protest – dann gaben seine Beine unter ihm nach und er sank in den Sand. Hinter ihm hatte der Matrose von der Meerfee seinen Gegner zu Boden gebracht und hielt ihn dort, eine Klinge seines Stabes am Hals des Mannes, er sich mit ausgebreiteten Armen ergab. Im Sand flammten Runen auf, mattblau und kränklich grün, und zerfielen zu Staub. Ilaro ließ sein Rapier fallen, eilte zu Shayan und zog den zitternden Shariach in seine Arme.
„Ich… ich habe meinen Meister angegriffen…“, murmelte er an Ilaros Schulter gedrückt, „aber… aber ich konnte nicht anders… er hätte einen anderen gerufen, etwas Größeres und Stärkeres als mich… und das hätte dann dich umgebracht!“
Ilaro sagte nichts. Er kniete im Sand und hielt Shayan fest, hielt ihn mit seinen Armen und mit seinen Gedanken.
Alles wird gut. Es ist vorbei.