Interview: Tanja Rast über Cajan und Anderes
Liebe Tanja, danke, dass Du dich für dieses Interview zur Verfügung gestellt hast!
1. Du warst ja schon mal bei mir zu Gast, als „Arrion“ erschien. Magst Du dich trotzdem noch einmal ganz kurz vorstellen?
Ich wurde schon als norddeutsches Urgestein bezeichnet – und als niedlich. Letzteres erschüttert mich immer noch. Ich bin eine echte Kieler Sprotte, ergo in Kiel geboren, liebe voller Stolz unseren Bungsberg (168 Meter hoch, ja, es ist ein Berg, sonst würde er Bungsmaulwurfshaufen heißen), habe eine Vorliebe für Museen, viele Tiere und praktische Recherche. Wie funktioniert Geheimtinte? Kann ich – also eigentlich mein Held, für den ich das herausfinden muss – mit Handschellen eine Leiter hochklettern?
Ich lebe mitten auf dem platten Land. Für Nicht-Schleswig-Holsteiner: Es gibt Gerüchte, dass man hier „oben“ morgens schon sehen kann, wer mittags zu Besuch kommt. Stimmt nicht! Wir haben Wälder, die uns die Sicht nehmen. Und Maisfelder. Dafür genieße ich Sternenlichtnächte auf dem Lande ohne nennenswerte Lichtverschmutzung.
In meinem Kopf tummelten sich schon immer viele Geschichten, und irgendwann – es war natürlich während der Pubertät – kam ich auf die Idee, sie aufzuschreiben. Erste Versuche waren selbstredend gruselig. Es gibt da einen Schriftstellerratschlag, das erste Buch wegzuschmeißen. Ich hab es zwanzig Jahre später neu geschrieben.
2. Jetzt ist „Cajan“ da, der zweite Heroic Romantasy, der bei Amrûn erscheint. Wie fühlst du dich?
Es ist immer noch aufregend. Cajan gehört zu den Helden, die mir am meisten am Herzen liegen. Im Gegensatz zu Arrion, der ja vor allem eine große Klappe hat (auch wenn er viele seine hochtrabenden Eigenlobreden tatsächlich wahrmachen kann), ist Cajan ein stiller Held. Das reicht bis zu Verschlossenheit, die natürlich auch in seiner Herkunft seine Wurzeln hat.
Besonders aufregend war für mich, Cajan das erste Mal „live“ auf der Leipziger Buchmesse zu sehen. Ich kannte natürlich das Cover und meine Druckfahnen, aber in echt, als wirkliches Buch, war das alles noch viel schöner.
3. Große Helden, heroische Schlachten, starke Frauen, böse Fieslinge – ein Patentrezept?
Keine Ahnung! Ich schreibe, was mir Spaß macht, was ich selbst lesen möchte. Ich mag keine kleinen Frauchen als Heldinnen, die beständig gerettet werden müssen und scheinbar ohne starken Mann zum Anlehnen nicht überlebensfähig sind. Was die Heroics für mich so reizvoll macht, liegt in der Bindung zwischen meinen Heldenpärchen, dass beide nur gemeinsam zum Sieg gelangen können. Das war bei Arrion und Neve schon eindeutig durch die Gabe des Geistergesangs, und auch bei Rebby und Cajan ist es nicht anders. Einer von ihnen alleine hätte vielleicht überlebt, aber niemals die Entwicklung durchmachen können, die zum guten Ende geführt hat. Es gibt da den Spruch „Gemeinsam sind wir unausstehlich!“ – Ganz bestimmt sind meine Heldenpaare das aus der Sicht ihres jeweiligen Gegners!
Ich denke, dass die Ideenfunken mich schon einige Jahre begleitet haben. Genau wie Arrion kommt Cajan aus einer gewissen Ursuppe, die mich schon lange verfolgt. Shakespeare mischt da ebenso mit wie Georgette Heyer – ich weiß, dass das ein krasser Gegensatz ist! Berührt haben mich auch die Romane um Kane, die literarische Interpretation des biblischen Brudermörders Cain, der zur Strafe unsterblich und beständig mit fiesen Übergegnern im Clinch ist. Nur … mir fehlte bei Karl Edward Wagner etwas. So irre ich Kane als Figur finde, so erschienen mir persönlich die Romane als zu sehr auf Außensicht konzentriert. Ich saß davor und dachte mir, wie viel mehr ich gerne über den Helden erfahren möchte, mehr aus seiner Gedankenwelt, mehr aus den Tiefen seines Inneren. Dazu kommt meine Leidenschaft für Happy Endings. Und schon rührte ich zwei Genres zusammen, die vielleicht niemals für das Zusammenrühren gedacht gewesen waren: Heroic Fantasy und Romance.
4. Wie bist Du auf die Idee zu „Cajan“ gekommen?
Ich spiele gerne mit Klischees, die ich noch viel lieber in ihr Gegenteil verkehre, Erwartungen erwecke, um sie dann auszutricksen. Cajan ist so ein Klischee: ein Halbelf, der in sich das Beste beider Elternteile vereint. Groß, schwer, stark und mit erstaunlichen Gaben von Elfenseite gesegnet. Aber er ist kein Held des Lichts, sondern schmutzig und mit Kanten und Ecken versehen. Hinzu kommt, dass Elfen in seiner Welt nicht als edel, weise und mystisch angesehen werden, sondern als niedere Rasse, die recht passable Sklaven abgibt. Nicht von ungefähr wird Cajan auch als halbes Tier bezeichnet.
Wo kommen Ideen her? Mit der Frage habe ich mich schon oft beschäftigt, und mitunter versuche ich auch, während sich Helden in meinem Kopf einnisten, herauszufinden, wo genau die jetzt wieder hervorgekrochen sind. Meistens finde ich es nicht heraus. Bei Cajan stammt der Erstfunke von einem Film, der völlig ohne Elfen, Kuggels und ähnliches auskam. Es war sogar nur ein Gesichtsausdruck, aber ich spürte die Luftverdrängung, als mit einem Mal einmeterneunundneunzig Halbelf hinter mir standen und mir ausgesprochen neugierig über die Schulter sahen.
5. Und woher holst du die Ideen für Kreaturen wie Davan, Kuggels und Vilogh?
Sie laufen, schwimmen und fliegen mir zu? Nun, zumindest die Kuggels sind eine Hommage mit Zähnen. Meine Davan sind eine verkleinerte Version der grünen Riesen aus einem früheren Roman, in der ein Held des irdischen Jetztzeit durch ein Portal in die Grüne Welt gelangt, ein Reich, in das vor rund 2000 Jahren schon ein Teil von Cäsars Legionen aus dem Eroberungsfeldzug in Gallien geraten ist und dort das bestehende Machtgefüge der indigenen Stämme durcheinander bringt. Wie gut, dass mein Held ein Schotte ist, ergo von den Pikten abstammt und außerdem fließend Latein spricht und ein wandelndes Geschichtslexikon ist. Oh, mit einem Schwert kann er auch noch umgehen. Die grünen Riesen auf jeden Fall waren groß, furchteinflößend und so leicht ablenkbar wie Kinder, die die Sandkiste stürmen.
Die Vilogh … ein wenig Dinosaurier, viel Krokodil und obendrauf böse Mieze. Eine uralte, geheimnisvolle Kriegerrasse, die nur einen Schwachpunkt zu besitzen scheint.
6. Wenn Du Cajan und Rebby persönlich treffen würdest, was würden sie dir wohl sagen?
Cajan würde nichts sagen. Er würde mich wortlos erwürgen. Ich verstehe das gar nicht. Ich habe ihn wirklich lieb und während des Schreibens sehr um ihn gezittert!
Und Rebby würde mir Vorhaltungen machen, wie gemein ich doch zu Cajan war. Und dass sie die alte Lederrüstung und deren Mitbewohner sehr übel nimmt.
7. Wie sehen Deine Pläne aus? Wird es noch mehr große Helden geben?
Wenn es nach mir geht: Ja! Cajan ist ja erst der zweite Roman von inzwischen zwölf geschriebenen. Da ist also noch tüchtig Luft nach oben. Und ich habe derzeit keinerlei Bedenken, dass mir die Ideen ausgehen werden. Notfalls ködere ich sie mit Marzipankartoffeln. Sie lieben Marzipankartoffeln!
8. Woran arbeitest du gerade schreibenderweise?
Ich bin im Augenblick den Heroics ein kleines bisschen untreu: Ich schreibe gerade am vierten Gay-Romance-Roman dieses Jahres. Immer noch getreu meiner Grundeinstellung, dass ein Paar nur als Team gewinnen kann, lange nicht so blutig und brachial wie die Heroics, und meine Helden sind auch deutlich jünger als der heroische Durchschnitt von knapp Vierzig (Roveon und Kenna verjüngen den Schnitt ein wenig). Es sind Liebesgeschichten vor einem Abenteuerhintergrund, dessen Gefahren das junge Paar zusammenschweißen, Belastungsproben unterwerfen und fordern.
Aus Autorinnensicht ist das für mich sehr reizvoll, weil ich zwei schöne Männer habe, die ich angemessen bewundern darf. Und die Gerüchte, dass verliebte junge Männer zu Dummheiten neigen können, bestätige ich in diesen Romanen ebenfalls. Geplant ist, dass diese vier Romane nächstes Jahr im Selfpublishing ihre Leserinnen finden sollen. Erste Betaleserinnenrückmeldungen(das ist ja ein übel langes Wort!) fallen sehr positiv aus, und so wage ich mich gespannt an etwas mehr Streuung.
Für dieses Jahr steht sonst noch mein Revolutionsepos „Aemera“ auf meiner Schreibwunschliste. Ein dezentes Steampunksetting, ein blutiger Auftstand, keine Liebesgeschichte, aber Figuren, die den Leser hoffentlich durch die starken Kontraste fesseln werden.
Und dann? Im November ist NaNoWriMo (schreibe mindestens 50.000 Wörter binnen des Novembers an einem frisch begonnenen Roman), und ich schiele in Richtung meines Mammutwerks „Lotrins Chronik“, die aus einer verbindenden Handlung und vielen Einzelschicksalen besteht. Eines dieser Einzelschicksale böte sich für den NaNoWriMo an. Mal gucken.
9. Gibt es noch etwas, das Du unbedingt loswerden möchtest?
Oh, dass ich verrückt bin? Dass ich eine Sabbeltante bin, was sich besonders bei nicht-schriftlichen Interviews als erheiternd herausstellen kann?
Wenn ich einmal Werbung machen darf: 20. – 29. Mai läuft der erste Phantastik-Kongress. Dreißig Interviews mit Autoren, Buchverlosung, eine kostenlose Onlineveranstaltung. Im großen Gewinnspiel sind auch Cajan und Arrion in der Bücherkiste, und ich wurde interviewt. Glücklicherweise ohne Unterbrechung seitens meiner fröhlichen Hündin, die zu gerne auf meinen Schoß gehopst wäre. Aber das ist eine andere Geschichte!
Liebe Tanja, ich danke Dir für dieses Interview und wünsche Dir ganz viel Erfolg mit „Cajan“!
Ich danke Dir!
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