Kategorie: Blog
Was ist eigentlich ein „gutes Buch“? Meine fünf Cent zur Lektoratsdiskussion
Im Netz kocht die Diskutiersuppe auf Hochtouren. Fronten verhärten sich. Der Begriff „Zweiklassengesellschaft“ fällt. Es wird von Arroganz gesprochen, von Selbstverliebtheit, von Talent und Nichtkönnen. Von guten und von schlechten Büchern.
Das Thema: Lektorat. Braucht ein Buch ein Lektorat und/oder ein Korrektorat, um ein gutes Buch zu sein?
Ich möchte das Pferd mal von hinten aufzäumen und die Frage in den Raum werfen, was denn eigentlich ein gutes Buch ist. Wenn ich diese Frage für mich beantworte (meine persönliche Meinung, die sich niemand zu teilen verpflichtet sehen soll!), dann ist ein gutes Buch ein Buch, das mich gut unterhält.
Gut unterhalten kann mich der nachdenklich-romantische Provenceroman ebenso wie ein auf Suspense getrimmter Thriller, ich fühle mich ebenso durch eine leidenschaftliche Romanze unterhalten wie durch ein Fantasymärchen oder ein episches Werk wie Game of Thrones. Ich möchte in sich stimmige Bücher lesen, mit gut ausgearbeiteten Protagonisten, denen ich ihr fiktives Leben abkaufe und bei deren Geschichten ich mir vorstellen kann, dass es so in diesem Setting wirklich geschehen sein könnte. Und das am liebsten noch fehlerfrei, ohne Längen, ohne Perspektivverrutscher, ohne unfreiwillig komisch wirkende Stilblüten.
Und wie mache ich nun so ein „gutes“ Buch?
Erst mal: ich schreibe. Ohne Rücksicht auf Verluste schreibe ich meine Geschichte, so wie sie mir vom Kopf in die Finger fließt, nach mehr oder weniger ausführlichen Vorbereitungen wie Plotten und Weltenbau – je nachdem, was für ein schriftstellerischer Arbeitstyp ich bin.
Und dann? Das Wort „Ende“ ist geschrieben, die schreibprogrammeigene Rechtschreibkorrektur ist über das Dokument geflitzt und hat alle Vertippsler ausgemerzt. Hoffentlich. Da ich diesen automatisierten Dingern nicht traue, lese ich lieber noch einmal selber von vorn bis hinten und von hinten nach vorn, den virtuellen Rotstift in der Hand, den Blick geschärft, der innere Korrektor arbeitet auf Hochtouren.
Der Text bekommt also ein erstes Korrektorat.
Und dann? Bin ich dann fertig? Habe ich dann schon ein „gutes Buch“ geschrieben?
Ich meine: nein. Ich habe ein Buch geschrieben, das zu 99% frei von Tipp-, Zeichensetzungs- und Grammatikfehlern ist. Aber würde ich für dieses Buch in diesem Zustand bereits Geld verlangen wollen?
Ich sage: nein. Denn ich fühle mich als Autorin noch nicht so sicher im Sattel, dass ich eine solche Manuskriptfassung schon in die Welt entlassen möchte, sei es in einem Verlag oder als Selfpublisher. Ich brauche den kritischen Blick von außen.
Bisher habe ich nicht selbst veröffentlicht, sondern mit verschiedenen Kleinverlagen zusammengearbeitet, in denen ich Anthologiebeiträge und Romane veröffentlicht habe. In den meisten Fällen habe ich das Lektorat als sehr bereichernd empfunden, sowohl für mein Buch als auch für mich als Autorin. Ich lerne bei jedem Lektorat etwas dazu. Ja, mein eigener innerer Lektor ist durch die Zusammenarbeit mit realen menschlichen Lektorinnen und Lektoren kritischer, mein eigener Blick auf Selbstgeschriebenes kritischer geworden.
Ob ich mir daher zutrauen würde, ein Buch vollkommen in Eigenregie zu machen? Schreiben, korrigieren, editieren (im Sinne von „verbessern“, im Sinne von „veröffentlichungsreif machen“) und zu veröffentlichen?
Ich sage noch einmal: nein. Ich habe als Leserin meinen ganz eigenen Anspruch an ein „gutes Buch“. Ich zahle gern einen angemessenen Preis für meinen Lesestoff, aber dafür erwarte ich dann auch, dass das, was ich mir auf meinen eReader lade oder zwischen realen Buchdeckeln in der Hand halte, meinem Anspruch gerecht wird. Ich habe bereits wunderbare Bücher von Selfpublishern gelesen, bei denen ich mich einen feuchten Kehricht darum geschert habe, ob dieses Buch lektoriert worden ist oder nicht, ich fühlte mich gut unterhalten, ich mochte den Erzählstil, es waren einfach in meine Sinne „gute Bücher“. Im Gegensatz dazu habe ich auch schon Bestseller renommierter Publikumsverlage beiseitegelegt, weil mich Dinge, die ich als stilistische Fehler empfand, so sehr gestört haben, dass mir das Lesevergnügen schon auf Seite 3 von 300 abhandenkam. Und bei einem renommierten Publikumsverlag gehe ich einfach mal davon aus, dass da ein Lektor am Werk war.
Fazit: ein Lektorat allein macht noch kein „gutes Buch“. Ein Buch kann auch ohne Lektorat „gut“ sein. Wer sicher ist, dass er oder sie es im Alleingang schafft, ein „gutes“ Buch herauszubringen, soll das tun. Ich persönlich halte mich für noch nicht so weit, dass ich ohne den kritischen Blick von außen ein wirklich „gutes“ Buch erschaffen kann. Aber das bin nur ich. Das kann und darf jeder und jede anders sehen. Wäre es nicht einfach schön, wenn jede und jeder so arbeiten könnte, wie er oder sie es am besten kann, ohne dass wir uns in dem Zwang sehen, uns für unsere Arbeitsweise rechtfertigen zu müssen? Wäre es nicht schön, wenn jeder und jede sagen könnte: Ich mache das so-und-so, du machst es anders, und es ist GUT so?
Ich würde mich freuen, wenn wir von diesem Schubladendenken wegkämen, das Verlagsautoren und Selfpublisher auf unterschiedlich hohe Podeste stellt. Sind wir nicht im Grunde alle nur Menschen, die eine Leidenschaft teilen – die für das geschriebene Wort, den Wunsch, die Geschichten zu erzählen, die sich in unseren Köpfen herumtreiben und die uns wahnsinnig machen würden, würden wir sie nicht aufschreiben? Ganz gleich ob Verlagsautor oder Selfpublisher, Kleinverlagsveröffentlicher oder Blogromanschreiber – wir sind Autoren. Und wir wollen am Ende doch alle nur eins: „gute“ Bücher schreiben.
Tschüß, 2015 – willkommen, 2016!
Wie, schon vorbei?
Kann mir bitte mal jemand sagen, wo das vergangene Jahr so schnell hin ist? Wir haben doch gestern erst Silvester gefeiert. Aber nun gut, 2015 ist auf dem Rückzug, also gibt es jetzt auch einen kleinen Rückblick hier im Blog.
2015 war ein Jahr der Schreiberfolge. Meine Dschnungelbewohner bekamen mit „Nachtjägerseele“ die erwartete Fortsetzung, ich durfte die Printversion der „Missverstandenen Monster“ in Händen halten und meine Orgelspinne gedruckt sehen, und die Nithyara starteten mit dem Prequel „Harfenzorn“ in die Neuauflage-Runde. Meine aller-allererste Romanveröffentlichung überhaupt, „Im Fischernetz“, liefert immer noch so viel an Tantiemen, dass es für einmal gemütlich Essengehen reicht, und das freut mich wirklich – anscheinend gibt es immer noch Menschen, die meine Geschichte vom Werfisch und dem entlaufenen Sklaven neugierig macht.
2015 war ein Jahr der Katzen, wie kann es in diesem Haushalt auch anders sein? Neuzugang Kleo, 2014 um die Weihnachtszeit eingewandert, schlich sich in Haus und Herzen, taute immer mehr auf und ist inzwischen nicht mehr hier wegzudenken. Vom kleinen fauchenden Dämon unter dem Bett hat sie sich in eine süße kleine Kuschelkatze verwandelt.
2015 war ein Jahr der Selbsterkenntnis. Der November hat mir gezeigt, was ich schaffen kann, wenn ich mich nur durchbeiße. Der NaNoWriMo war anstrengend, stressig, spaßig und am Ende ein Marathonschreiben. Das letzte Zehntel an Wörtern entstand am letzten Tag, die 50k erreichte ich buchstäblich um Fünf vor Zwölf. Ja, es geht, 10k an einem Tag zu kloppen, aber ganz ehrlich, noch mal brauche ich das nicht.
Genausowenig wie einige andere Dinge. Öfter mal Neinsagen ist einer meiner guten Vorsätze, mehr Gelassenheit, mehr Ruhe und mehr Achtsamkeit. Mehr hier und jetzt statt gestern und morgen. Mehr kleine Dinge und kleine Schritte statt Monsterziele und Höhenflüge.
Schreiberisch werfen schon einige Dinge für 2016 ihre Schatten voraus. Natürlich geht es weiter mit den Nithyara. Der „alte“ Feuersänger erscheint neu poliert in zwei Einzelbänden, geplant sind dazu noch Kurzgeschichten und eine erste Selbstveröffentlichung. Ganz weit weg, aber schon in Sicht, winkt eine weitere Veröffentlichung, schon für das Jahr 2017. Es bleibt spannend!
Zum Schluss noch ein kleiner Ausblick, was es auf diesem Blog im kommenden Jahr geben wird:
– weiterhin Buchbesprechungen/Rezensionen
– Fortsetzung des Online-Romans „Erwählte des Zwielichts“
– Neuauflage vom „Kater der Woche“
– mehr Zentangle
Euch allen ein gutes neues Jahr. Bleibt gesund. Lasst euch nicht stressen. Bleibt ihr selbst, verbiegt euch nicht. Lebt euer Leben, ihr habt nur dieses eine!
Kinderbuchschätzchen
Vor einer Weile habe ich mich mit meiner Gesangslehrerin beim Katzenkaffee (dem gemeinschaftlichen Kaffeetrinken und Keksevernichten nach erfolgreichem Katzensitterdienst) über Bücher unterhalten, die wir auf eine einsame Insel mitnehmen würden. Dass von den berühmten drei Dingen, die man auf die berühmte einsame Insel mitnehmen darf, zumindest eines ein Buch sein muss, da waren wir uns ziemlich schnell einig. Doch als uns beim aufzählen möglicher Buchkandidaten auffiel, was wir denn auf jeden Fall für unsere Robinson-Crusoe-Erfahrungen einpacken würden, kamen wir doch ins Nachdenken – denn sowohl in ihrer als auch in meiner Aufzählung nahmen ältere Kinder-und Jugendbücher sehr großen Raum ein. Ihr Favorit war James Krüss, meine (da ich gestehen musste, dass sich meine Erfahrungen mit James Krüss auf die Lektüre von Romanauszügen und Gedichten in Schul-Lesebüchern beschränkten) Favoritin Astrid Lindgren, Otfried Preußler und Michael Ende. Wir kamen regelrecht ins Schwärmen, als wir uns die Titel unserer Kinderbuchschätze wie Schokolade auf den Zungen zergehen ließen. „Der Leuchtturm auf den Hummerklippen“ von James Krüss, oder seine Geschichten vom kleinen und vom großen Boy: „Mein Urgroßvater und ich“ oder „Mein Urgroßvater, die Helden und ich“. „Mio mein Mio“ von Astrid Lindgren, ihre unbezähmbare „Ronja Räubertochter“, die wunderbar schöne heile Welt der „Kinder aus Bullerbü“ oder die freche „Pippi Langstrumpf“ (was uns zum Überlegen brachte, wie denn die vielen Vornamen der langbestrumpften jungen Dame nun lauten… na? Wisst ihr es noch?). Michael Endes „Momo“ ist mir ebenso eine treue Wegbegleiterin geworden wie Otfried Preußlers „Krabat“ und ich weiß jetzt noch, wie ich im Kindergarten „Das kleine Gespenst“ und den „kleinen Wassermann“ geliebt habe, oder „Die kleine Hexe“.
Ich gebe zu – ich liebe all diese Bücher und ich lese sie immer wieder gerne und ich bin immer wieder überrascht, was diese Bücher auch uns Erwachsene noch lehren können. Wenn ich sage „ich habe keine Zeit“, dann sehe ich ein wuschelhaariges Mädchen in buntem Rock und viel zu großer Männerjacke vor mir stehen, die eine Schildkröte auf dem Arm trägt. Momo hat mir beigebracht, dass es dieses „keine Zeit haben“ gar nicht gibt, denn zeit ist ja da – ich muss sie mir nur einteilen, sie gut und weise nutzen und wichtige Dinge vor unwichtige stellen. Es gibt Tage, da brauche ich ein bisschen von Pippi Langstrumpfs Frechheit, und solche, an denen ich mir eine Scheibe der philosophischen Gelassenheit des großen Boy in der Hummerbude abschneiden sollte. Es gibt tage, da will ich mich einfach nur wegträumen und in einem Märchen versinken, und dann gehe ich mit Mio auf die Suche nach den verschwundenen Kindern und kämpfe gegen Ritter Kato. Und lerne zugleich noch, dass ich kein großer strahlender Held sein muss, um gegen die Widrigkeiten des Lebens zu bestehen. Es reicht, Brot zu haben, das Hunger stillt, Wasser, das Durst löscht und einen Zauberlöffel, der immer wieder Kraft gibt. Meine Kinderbuchschätze sind für mich solche Zauberlöffel. und ich bewundere ihre Autorinnen und Autoren, die es geschafft haben, mich ohne Moralkeule und oberlehrerhaften Holzhammerton an das zu erinnern, was im Leben wirklich zählt.
Kramt sie doch mal wieder heraus, diese Kinderbuchschätze, die auch für uns Große Fundgruben sein können. Lest „Die Brüder Löwenherz“ mit jemandem, ob groß oder klein, der den Tod nahen sieht und sich fürchtet. Gebt „Momo“ denen an die Hand, die keine Zeit haben. Mit denen, die über das Sprache und Helden philosophieren wollen, besucht den großen und den kleinen Boy, und nehmt den mit auf die Hummerklippen, die Geschichten und Gedichte lieben. Und wer weiß – vielleicht schreibt ihr dann auch eines Tages Gedichte auf Kiefernbretter und Geschichten auf die Rückseiten von Seemannskalendern, Teetüten und Tapetenrollen. Denn dafür sind Rückseiten praktisch. Hat mir der alte Boy verraten.