Ge-genderte Sprache – auf Biegen und Brechen?

Immer wieder in der Diskussion: die Betrachtung der deutschen Sprache unter Gender-Gesichtspunkten. Ist unsere Sprache diskriminierend? Viele angesehene Feministinnen sagen: ja.
Ist unsere Sprache maskulin dominiert? Ziemlich sicher, denn es gibt viele sogenannte „generalisierte Maskulina“. Ich schreibe für meine Leser, wenn es schnell gehen soll, nicht für meine Leserinnen und Leser oder LeserInnen, Leser_innen oder wie auch immer man beide Geschlechter anzusprechen wünscht. Liebe Lesende? Das klingt ein bisschen wie die altbekannten „Lieben Liebenden“. Dann doch lieber Leserinnen und Leser.

Eine AG der Humboldt-Universität Berlin hat nun einen Leitfaden „Feministisches Sprachhandeln“ herausgegeben, zu finden in voller Länge als Onlineversion hier. Seit der Veröffentlichung des Leitfadens kochen die Diskussionen, wie zum Beispiel hier auf Heise.de. Weg mit der Dominanz des Männlichen in unserer Sprache, weg von Professor und Doktor hin zu „Doktox“ oder „Professx“. Da ich manchmal auch dazu neige, laut zu lesen, frage ich mich, wie spricht man das aus? Abgesehen davon: warum nicht „Professorin“ und „Doktorin“ neben Professor und Doktor?

Auch so ein rotes Tuch bei der Betrachtung der deutschen Sprache aus Gender-Gesichtspunkten: das kleine Wörtchen „man“ in Formulierungen wie „Zur Mühle kommt man, wenn man links abbiegt“. Man (ja, auch ich, deine Tochter Bruta) benutze das „man“, auch wenn es leicht zu vermeiden wäre, wie zum Beispiel durch so eine würgige Passivkonstruktion oder, schöner, auf diese Weise: „Sie erreichen die Mühle, wenn Sie links abbiegen“.

Laut einer Perzeptionsstudie, so der Leitfaden, stellten sich die meisten Befragten bei dem Wörtchen „man“ einen weißen, gesunden Menschen männlichen Geschlechts vor. Ich persönlich kann das nicht nachvollziehen. „Man“ ist für mich das unpersönlichste Pronomen überhaupt und damit an keine bestimmte Person gebunden, neutral, geschlechtslos. „Man“ ist für mich kein „Mann“, keine Frau, noch nicht einmal ein „jemand“ oder ein „wer“. „Man“ ist eine breite namenlose Masse ohne Gesicht, ohne Geschlecht und ohne Gender. Bevor wir uns über dieses kleine Wort und seine Verwendung echauffieren, sollten wir uns, finde ich, andere Gedanken über unseren Sprachgebrauch machen.

Ich finde nicht, dass wir eine auf Krampf gegenderte Sprache brauchen. Ich brauche keine „Mitarbeitas“, wenn ich in meine Anschreiben auch „Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“, „liebe Gäste“, „Sehr geehrte Damen und Herren“ oder auch einfach „an alle Lehrenden“ schreiben kann. Ja, ich finde es schön, wenn männliche und weibliche Form gemeinsam benutzt werden und nicht alles auf das Maskuline beschränkt wird. Aber um diesen Respekt beiden Geschlechtern gegenüber zu zeigen, brauche ich keine künstliche neue Sprache.

Für mich ist Sprache und wie sie verwendet wird, ein Ausdruck des Respekts, den ich vor meinem Gegenüber habe, und da ist es vollkommen gleich, ob dieses Gegenüber männlich, weiblich, trans, straight, homosexuell, lesbisch, jung, alt, gesund oder krank ist oder eine andere Hautfarbe hat als ich. Vor mir steht ein Mensch. Punkt. Ich glaube nicht, dass wir uns in erster Linie und ausschließlich um unsere Sprache kümmern und diese „gendern“ müssen. Das ist sicherlich ein Anfang und ein Weg – wobei wir uns fragen sollten, wie weit wir dabei gehen wollen und wie viel Künstlichkeit und plötzliche Umwandlung unsere Sprache verträgt.
Sicher. Sprache ist niemals starr. Sie ist dynamisch, sie ist Moden und Entwicklungen unterworfen, das war sie schon immer. Ich glaube aber nicht, dass es zu mehr Respekt untereinander führt, wenn wir unsere Sprache künstlich verbiegen und verformen.
So lange im Radio Songs erklingen, in denen eine Frau von einem Man als „my brand new toy“, „mein brandneues Spielzeug“, besungen wird oder Sänger sich Freundinnen wünschen, die so winzig sind, dass er sie den ganzen Tag in seiner Tasche herumtragen kann oder sie sich so fett wünscht, dass sie nicht mehr in der Lage ist, das Haus zu verlassen (Milow – You and Me), so lange diskriminierende Witze und Anzüglichkeiten und respektloses Handeln wie Antatschen und Hinterherpfeifen nicht verschwinden, so lange sich Respekt vor dem anderen Geschlecht oder überhaupt vor dem „Anderen“, das einfach anders ist als ich, ganz gleich in welcher Hinsicht, nicht in den Köpfen aller Menschen festsetzt, bringt es auch nichts, Wortkreationen wie „Dotox“ oder die „Professx“ zu schaffen. Das macht die Professorin, die Mitarbeiterin, die Frau auf der Straße, die Bandarbeiterin bei VW, die Schülerin, die Frauen von der Putzkolonne oder meine Nachbarin auch nicht sicherer vor blöden Sprüchen.
Just my 10 cent.

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Stöckchen: Die Stellenanzeige, Teil 2: Heldinnengespräch

Sie erinnern sich? Es gab da mal diese Stellenanzeige. Dazu gehört noch ein Teil 2:

Der zweite Teil des Stöckchens umfaßt ein Interview mit dem Helden, nachdem er sich auf die Stellenanzeige gemeldet und den Job bekommen hat. Ist es ein Werk, das schon in Arbeit ist, führt das Gespräch die Seelsorgeabteilung der Agentur. Sind die ersten Worte noch nicht geschrieben, kann das Interview als Einstellungsgespräch geführt werden. Drei bis fünf Fragen, die der Held so wahrheitsgemäß wie möglich beantworten muß, genügen. Daß er bei der Beantwortung durchaus ins Schwitzen und Verzweifeln kommen darf, ist selbstverständlich. Wie haben seine Hoffnungen sich erfüllt? Warum meint er, besonders gut auf die Anforderungen im Stellenprofil reagieren zu können? Was denkt er über seine Autorin/seinen Autor? Und würde er sich noch einmal bewerben?

Vor mir sitzt eine junge Frau, dunkelhäutig und von katzenhafter Anmut. Goldene Augen leuchten mir aus dem schmalen Gesicht entgegen, sie lächelt.
Autorin: Zersa, du hattest dich auf die Hauptrolle in der Novelle „Nachtjägerherz“ beworben und die Rolle bekommen. Wie fühlst du dich?

Zersa: (lächelt immer noch) Zufrieden. Ja, ich bin ausgesprochen zufrieden. Mein Start in die Rolle war ja nicht sooo schön, aber mit dem Ende bin ich ausgesprochen zufrieden. Ich habe meinen alten Stand zurück, ich werde anerkannt und das mit meinem Freund bekommen wir doch sicher auch noch hin, oder?

Autorin: (grinst) Wir arbeiten dran. Dein Freund, da sagst du etwas. Wie gefiel… gefällt dir die Zusammenarbeit mit Tiano?

Zersa: Anfangs war er ja ein fürchterliches Trampeltier.
(Stimme aus dem Off: EY!!!!)
Zersa: (lacht) Er wusste nicht, wie man sich im Wald bewegt, er war einfach ein großer ungeschickter Trampelmensch, aber er war ja lernfähig. In jeder Hinsicht. ich denke, dass ich es ohne ihn nicht geschafft hätte, meiner Rolle gerecht zu werden. Er hat mir sehr geholfen. Und er war lernfähig. Ich bin gespannt, was er sagt, wenn er herausfindet, dass auch er ein Gestaltwandler ist.
(Stimme aus dem Off: Was? Wie bitte, wer ich?)

Autorin: Das freut mich sehr. Zersa, wenn du die Wahl hättest, würdest du das alles noch einmal machen?

Zersa: Ja, auf jeden Fall. Ich weiß gar nicht, was die anderen alle haben, Tina, ich habe gern mit dir zusammengearbeitet und freue mich sehr über die Vertragsverlängerung. Ich habe schon einiges an Ideen, wie es weitergehen könnte, wir könnten doch… (beugt sich zur Autorin und flüstert ihr ins Ohr)

Autorin: OMG, hilfe… eine kreative Hauptfigur! Ich bin eine Autorin – holt mich hier raus!

Sabrina Zelezný: Antayawar

41Mi-xvYvvL._SS300_ „Antayawar“ – Kupferblut. Um Blutschuld geht es in dieser spannenden Novelle aus der Reihe „Gaias Schatten“, um Fremde, die nie ein Teil des kleinen Andendorfes Coimo waren, obwohl sie lange dort gelebt haben. Basilio und Arcadio, die beiden Brüder, wissen nicht, was sie erwartet, als ihr Vater sie nach Coimo auf den alten Familienbesitz schickt, um daraus ein rustikales Landhotel zu machen. Die Dorfbewohner begegnen ihnen ablehnend und misstrauisch, das Gerücht von Spuk auf der Hacienda geht um und die junge Mayra erzählt Geschichten, die Arcadio die Haare zu Berge stehen lassen. Doch er entschließt sich, der Sache auf den Grund zu gehen – und enthüllt ein schreckliches Familiengeheimnis. Nur eines kann den Fluch lösen, der auf der Hacienda und der alten Kupfermine liegt: Blut.
Sabrina Železný erzählt mit der ihr eigenen poetischen Sprache die Novelle um Arcadio, Basilio, Mayra und den mysteriösen Jungen Tito. Die Legenden und der Glaube der Andenvölker liegen ihr ebenso im Blut wie die Liebe zu Land und Leuten, und das merkt man als Leser bei jedem Wort. Ich habe dieses Buch geradezu inhaliert. Mehr davon!