Kategorie: Bullet Journal
Good vibes only? Bullshit!
Vor ein paar Tagen begegnete mir ein Facebook-Beitrag mit der Frage: „Sag mal, welcher Satz geht dir am meisten auf die Nerven?“
Neben einigen anderen Beispielen wurde auch genannt: „Nun lach doch mal!“ – Und ich erkannte mich sofort wieder. Denn tatsächlich gibt es nicht viel, was mir so auf den Keks geht, wie dieses „Nun lach doch mal. Du guckst immer so ernst.“ Dicht gefolgt von der Frage: „Du bist immer so blass, geht’s dir gut?“
Ich weiß, gerade hinter der letzten Frage steckt oft ehrliches Interesse. Aber immer wieder darauf angesprochen zu werden, nervt irgendwann. Mein Default-Gesichtausdruck, mein entspanntes Gesicht, wirkt nun mal eher ernst, und meine default-Gesichtsfarbe, wenn ich nicht gerade einen Sonnenbrand oder Sommersprossen habe (sonnengebräunt sehe ich nur sehr selten mal aus, weil ich eben eher rot als braun werde), ist nun mal blass.
Aber nur, weil ich blass bin, bin ich nicht gleich krank. Und nur, weil ich nicht dauergrinse oder dauerlächle, bin ich nicht gleich auch negativ oder schlecht gelaunt. Das werde ich allerdings, wenn Menschen mich immer wieder auffordern, „doch mal zu lächeln“.
Ich habe gerade ein sehr spannendes, interessantes und aufweckendes Buch zum Thema „toxische Positivität“ gelesen, nämlich „Die Happiness-Lüge“ von Anna Maas. Grundaussage des Buches ist, dass ewiges „Good vibes only!“-Denken negativ konnotierte Gefühle wie Angst, Wut oder Verunsicherung nur wegdrückt, und all die „Gesetz der Anziehung“-Heilsversprechen den Menschen als Individuum zum Opfer machen, anstatt Dinge wie Armut, Unsicherheit, Ängste, Sorgen, Arbeitslosigkeit, Wut über Diskriminierung und Ungerechtigkeit, whatever, in systemischen Umständen zu suchen und dort mit der Problemlösung zu beginnen.
Ich habe mir gestern wie nichts Gutes vom Universum Reichtum und Erfolg gewünscht und hänge am Monatsende doch schon wieder im Dispo? Dann waren meine vibes wohl nicht gut genug, mein Wunsch falsch formuliert, meine Bestellung missverständlich, oder ich habe nicht fest genug an die Erfüllung meiner Wünsche geglaubt.
Öhm. Ja. Merkste was?
Das kann nicht gesund sein.
Anfang des Jahres habe ich einen Motivationsratgeber gelesen, in dem es um die Kraft der Vergebung geht, um das kraftvolle Visualisieren von Zukunftsvisionen zum Erreichen von Zielen, um die Arbeit mit dem inneren Kind, um loslassen und das Erreichen von Träumen und Lebenszielen. Unter dem Eindruck des Buches habe ich am Neujahrstag all die Ziele, die ich erreichen wollte, als bereits erfüllt in mein Bulletjournal geschrieben und war enthusiastisch und innerlich kribbelnd vor Energie. Ende 2022 habe ich … bin ich … habe ich erreicht … habe ich geschafft …
Und jetzt, in der Jahresmitte, ziehe ich Bilanz, und muss einsehen, dass ich mindestens ein Drittel der wunderbaren „ich werde sein, haben, geschafft haben, erreicht haben“ nicht erreichen werde. Weil mir ganz einfach die Kraft, die Energie und die Zeit dafür fehlt. Wie sich das anfühlt? DOOF natürlich, und wieder mal ziemlich nach versagen und nach nicht gut genug sein. Denn wenn ich das alles nicht schaffe, dann habe ich wohl nicht gut genug visualisiert, nicht fest genug gewünscht und geglaubt, mir selbst nicht genug vertraut. Es liegt alles bei mir, wenn es nicht klappt.
In der Realität sieht das alles ein bisschen anders aus. Natürlich würde ich gern vom schreiben leben können und mich selbständig machen, natürlich würde ich den nervigen Brotjob gern gegen was austauschen, bei dem ich immer und überall Spaß bei der Arbeit habe. Aber leider entspricht das überhaupt nicht meinen ganz eigenen inneren Bedürfnissen. Ich werde immer die Sicherheit eines regelmäßigen Gehalts eines Brotjobs brauchen, weil ich sonst kirre werde wegen der Sorgen ums Geld. Und so gern ich mal ein halbes Jahr aussteigen und irgendwo im Wald leben würde – aus diversen Gründen ist das leider nicht machbar.
Klartext: Dass ich – oder Du -, dass wir unsere Ziele nicht oder nicht sofort erreichen, das liegt nicht an unseren „vibes“ oder daran, dass wir zu negativ sind, dass wir es nicht schaffen, positiv zu sein, um damit weitere positive Dinge ganz einfach wie durch Zauberhand in unser Leben zu ziehen.
Das klappt leider so nicht.
Darum: weg mit „Good vibes only“ – und her mit „All vibes welcome“. Denn negativ konnotierte Gefühle ständig zu unterdrücken, zu überspielen und immer im Happyland zu leben, macht auf Dauer krank. Und deswegen werde ich mich jetzt auch hinsetzen und meine Jahresziele überarbeiten, damit ich mich nicht jedes Mal wieder mies fühle, wenn ich diese Seite in meinem Bulletjournal aufschlage und sehe, was ich alles noch schaffen müsste, wenn ich wirklich alles erreichen will, was ich mir da erträumt habe.
Bullet Journal: Back to the roots mit Ryder Carroll
Seit 2016 benutze ich ein Bullet Journal. Dachte ich zumindest. Bis mir im letzten Jahr der Nikolas (aka mein Mann) das Buch „Die Bullet Journal Methode“ von Ryder Carroll geschenkt hat. Auf dem Schirm hatte ich das Buch lange schon, muss aber zu meiner Schande gestehen, dass ich tatsächlich zu faul war, es im Original zu lesen. Als dann die Übersetzung (die ich sehr gelungen finde) auf den Markt kam, landete sie umgehend auf meinem Wunschzettel, und… ta-daaa. Ich las, wurde erleuchtet und machte weiter. Aber alles anders.
Nun ist erleuchtet vielleicht ein bisschen viel, dennoch war mir Ryder Carrolls Buch ein Augenöffner. Ryder Carrolls Buch ist nicht nur ein „how to bullet journal“. Der Autor berichtet, wie er dazu gekommen ist, für sich selbst diese Mischung aus Planner, Tagebuch, Kalender und Notizzettelsammelsurium zu entwickeln und für seine eigenen Bedürfnisse immer weiter anzupassen. Seit früher Kindheit leidet er an ADHS und hatte immer Schwierigkeiten damit, sein Leben zu ordnen – bis er anfing, dieses chaotische Leben in einem Notizbuch zu ordnen, in dem alles enthalten war: Termine, Listen, Pläne, Projekte, Erinnerungen: Vergangenes, Gegenwärtiges und Zukünftiges. Und er gab diesem praktischen Begleiter in Buchform einen Namen: Bullet Journal, nach den kleinen „bullet points“, die einen Punkt auf der To Do-Liste markieren und den man fix in alles andere umwandeln kann, was man noch so braucht: Gedankenstriche, Häkchen, Durchstreicher.
Ryder Carroll erzählt seine eigene Geschichte und erläutert seinen Leser*innen daran die Bullet Journal Methode. Ich habe mich in vielen Punkten, die er beschreibt, wiedergefunden: herkömmliche Kalender und Planner, die es überall zu kaufen gibt, passten nicht zu meinen Bedürfnissen. Da gab es zu wenig Platz für Eigenes und zu viel Müll, den kein Mensch braucht. Oder zumindest ich nicht.
Auch ich war so eine Herrin der rumfliegenden Zettel, auf denen sich in wildem Chaos Termine und Notizen tummelten, und die, wenn man sie brauchte, immer nur eins waren: verschwunden. Undauffindbar. Weg. Vermutlich in genau dem Universum gelandet, in das die Waschmaschine auch immer wieder einzelne Socken beamt.
Als ich das erste Mal über andere Blogger*innen und ein bisschen Rumgesuche auf Instagram und Pinterest auf das Bullet Journal stieß, war ich begeistert und wollte genau das auch. Auch wenn ich damals den Sinn von „rapid logging“ und „daily logs“ noch nicht wirklich verstand. Daher waren meine ersten Bullet Journals im Grunde nichts anderes als hübsche, selbstgestaltete Kalender nach meinen eigenen Bedürfnissen, mit Platz für die eine oder andere ulkige Sammlung (gelesene Bücher, angesehene Filme, geguckte Serien) und Tracker (Gewohnheiten, Gewicht, Haushalt und Putzen …). Und das Ganze natürlich ein bisschen aufgemotzt mit Schönschrift, Stempeln und Stickern.
Ein bisschen angefangen zu begreifen, was das BuJo ausmacht, habe ich, als ich in einer Journaler-Facebookgruppe landete – eigentlich nur, weil ich komplett geflasht war von den wunderbaren Illustrationen und Schmuckseiten, die viele Journaler*innen in ihre Notizbücher integrieren. DAS wollte ich auch. Ich probierte aus, malte und zeichnete, kaufte Unmengen von Washi-Tape, Stickern und Stiften und dekorierte, was das Zeug hielt, bastelte immer noch Tracker und Listen … und merkte irgendwann, dass ich mehr Zeit dafür aufwendete, mein Notizbuch zu dekorieren, als es als das zu nutzen, was es eigentlich ist: ein Werkzeug, das mir durch meinen chaotischen Alltag mit zwei Anstellungen, Selbständigkeit als Autorin, Familie und Haustieren helfen soll. In diese Zeit plumpste mir dann auch Ryder Carrolls Buch.
Und ich war komplett begeistert, weil ich endlich das ursprüngliche Wesen des Bullet Journals als Alltagshelfer sehen konnte. Bitte nicht falsch verstehen, ich LIEBE Deko in Bullet Journals und klebe immer noch Washi-Tape auf alles, was nicht bei drei auf dem nächsten Baum verschwunden ist, ich liebe Handlettering und Sticker und schmücke mein Buch auch immer noch ein wenig – weil ich ein Werkzeug, das nicht nur zweckmäßig, sondern auch noch schön ist, noch viel lieber in die Hand nehme und die Deko auch immer ein bisschen als Achtsamkeitsübung betrachte.
Inzwischen habe ich das gemacht, was Ryder allen seinen Leser*innen ans Herz legt: ich habe mein Journal so angepasst, dass es meinen Bedürfnissen entspricht und nur noch die Dinge enthalten sind, die ich wirklich brauche. Aus einem ganzen Wust von Trackern und Listen habe ich nur wenig behalten: das, was ich regelmäßig ausgefüllt habe. Gewohnheitstracker passe ich von Monat zu Monat an, einige Dinge stehen immer drauf, einige wechseln. Ich tracke mein Gewicht und meine Periode, führe Buch darüber, welche Stücke ich wann in meinem Organistenjob gespielt habe, welche Bücher ich gelesen habe und ob sie mir gefallen haben, führe Spartracker und plane im Bullet Journal meine Schreibarbeit. Der Planner-Anteil besteht aus einem Future-Log mit viel Platz für die einzelnen Monate zum Planen von Terminen, die weit in der Zukunft liegen, aus Monatsübersichten und daily logs. Bis vor Kurzem habe ich zusätzlich noch weekly logs benutzt, aber irgendwann mal vergessen, eins zu machen und es nicht vermisst – seitdem gibt es nur noch die daily logs und jeden Abend eine Viertelstunde für mich und mein BuJo, in der ich den vergangenen Tag noch einmal reflektiere und Notizen mache und den kommenden Tag plane, wenn viel ansteht, vielleicht auch den übernächsten schon grob skizziere.
Mein BuJo ist kein Ausstellungsstück. Es ist ein bisschen wie ich – chaotisch, nicht immer ganz ordentlich, bunt und mit der einen oder anderen Falte, voll mit Erinnerungen und Plänen. Und Washitape. Und ich möchte es nicht anders haben. Auch wenn ich nie aufhören werde, weiterhin Brush Pens zu kaufen und Handlettering zu üben.
Zuletzt noch ein paar Dinge, die ich für mein BuJo ganz dringend brauche:
- Notizbücher. Logisch eigentlich, oder? Ich mag am allerliebsten solche mit Punktraster, da mich karierte und linierte Seiten zu schnell einengen und die Punkte so dezent sind, dass auch kleine Zeichnungen gut aussehen, ohne von zu kräftigen Linien gestört zu werden. Pro Jahr brauche ich mindestens zwei, seit ich nach Ryder Carroll arbeite und daily logs und rapid logging benutze
- Fineliner. Ganz wichtig. Essentiell wichtig, ich mache alle Eintragungen mit schwarzen Finelinern
- weiße Gelstifte. Noch viel wichtiger, weil besser als Korrekturflüssigkeit (die trocknet mir immer ein) oder Korrekturband (irgendwie bin ich für die Benutzung zu ungeschickt, und so richtig toll zum wieder drüberschreiben ist das Zeug auch nicht). Fehlerchen einfach damit übermalen, und weg sind sie
- Brushpens – ich benutze sie zum Highlighten von Zeilen und für Letterings
- Washi-Tape. Weil ich süchtig bin nach dem Zeug, es einfach liebe und es gefühlt überall hinkleben könnte (warum läuft jetzt die Katze weg???). Es macht einfach Spaß, ist bunt, kommt in den verschiedensten Ausführungen daher und … ist eben Washi-Tape
Dinge, die ich hin und wieder benutze, aber bei denen ich nie sagen würde, dass ich ohne sie nicht auskomme:
- Stempel. Hin und wieder ist so ein Stempelchen doch mal ganz hübsch
- Sticker. Auch oft witzig. Vor allwem, wenn Katzen drauf sind
- Aquarellfarben – benutze ich im BuJo relativ wenig, aber wenn die Zeit für ein aufwändigeres Layout da ist, doch schon ganz gern
- Abwaschbare Tattoos – man kann sie auf die Einbände der meisten Notizbücher applizieren. Etwas farbloser Nagellack drüber, und das hält ewig