„Kannst du mir die Mail mit der Agenda für das Meeting forewarden?“ – Anglizismenüberschuss, oder warum ich nicht „cool“ sein will

Wo früher am Bahnhof mal die Information war, befindet sich jetzt ein „Info-Point“. Man geht nicht mehr zu Arbeitstreffen, sondern kommt höchst anglizistisch in „Meetings“ zusammen, für die man zuvor keinen Themenplan, sondern eine Agenda bekommen hat. Man bringt sich seinen „Coffee to go“ mit, den man sich zuvor noch schnell beim „Coffeeshop“ geholt hat. Welcher Bestandteil eines „Bread-Shops“ ist. Früher nannte man so etwas eine Cafeteria in einer Bäckerei.
Statt wie früher super findet man erfreuliche Ereignisse oder Dinge, die einen erstaunen heute „cool“. Ein Mobiltelefon ist ein „Handy“, wenn es bereits einige Jahre auf dem Buckel hat; ist es neu, spricht der moderne Mensch von einem Smartphone. Und haben wir inzwischen nicht alle „Notebooks“? Entschuldigung, „Laptops“. „Notebooks“ sind ja diese kleinen Dinger aus Papier, in die man mit einem „Ballpen“ oder einem Füller schreibt. Mit der Hand.
Eine Nachricht ist eine „Message“, im Internet unterhält man sich nicht, ondern „chattet“ und „skyped“. Oder schreibt man das ohne e?
Die Aufforderung, Anträge einzureichen, nennt man neudeutsch „call to papers“. Klingt irgendwie nach „call to arms“, das ist gruselig.
Diätprodukte sind „light“ oder „zero“ (persönliche Erfahrungen haben mich gelehrt, dass diese Worte entweder für übersüß durch Aspartam oder für pappig und schmeckt nicht stehen), eine Frikadelle ist ein „Burger“, und in die Pfanne kommt „Bacon“ statt Speck.
Wer als Redner oder vielleicht als Journalist beeindrucken möchte, wirft mit Fremdwörtern um sich, denn diese assoziieren dem lauschenden Gegenüber eine Intelligenz und Bildung des Texturhebers, welche dieser im schlimmsten Fall gar nicht besitzt. Fremdwörter werden benutzt, um Artikel zum Schillern zu bringen, bis der Leser zwischen all den Anleihen aus Englisch, Französisch, Latein und Altgriechisch den eigentlichen Inhalt des Geschriebenen kaum noch finden kann.
Als Autorin, die in Deutschland geboren wurde, in Deutschland aufgewachsen ist und Deutsch als Muttersprache spricht, empfinde ich den zunehmenden Einsatz von Anglizismen als sprachlichen „Igittigittismus“. Für so viele Dinge, die wir heute mit Anglizismen bedenken, gibt es tatsächlich auch deutsche Wörter. Natürlich gibt es auch hier Grenzen – Markennamen wie Ebay und Paypal müssen nicht krampfhaft in „E-Bucht“ und „Bezahlkumpel“ eingedeutscht werden. Aber mein „Meeting“ ist ab jetzt ein Arbeitsgruppentreffen oder eine Besprechung, meine Agenda eine Themenliste und mein Handy ein Mobiltelefon. Und aufregende, positive Dinge sind super oder klasse oder prima. Es muss nicht alles „cool“ sein. Ich selbst will gar nicht cool sein – denn „cool“, das bedeutet wortwörtlich übersetzt „kühl“ oder „kalt“. Was sind „coole“ Klamotten? Zeug, das nicht wärmt? Dünne Blusen und kurze Hosen oder Miniröckchen im Winter? Was sind „coole“ Menschen? Die, die keine Gefühle zeigen, die nach außen kühl wie Vulkanier wirken und an denen alles abprallt?
Nein danke, das bin ich nicht.
Ich bin wohl eher uncool (was für ein Wort…), wenn ich mich jetzt wieder verabschiede und weiter daran arbeite, meine Sprache und meinen Wortschatz aufzuräumen.

Vom Plot zum Roman: Der Rückwärtsgang

Da haben wir ihn, den schönen roten Faden, den Plot, alles liegt vor uns ausgebreitet wie eine Landkarte, wir fangen an zu schreiben… und merken nach den ersten 20-50 Seiten: So geht das nicht.
So geschehen bei meinem „Beispielprojekt“ Silberschleicher. Eine Nacht drüber geschlafen udn auf einmal erschienen Dinge,die beim Plotten noch so schön passend und super erschienen waren,in einem ganz anderen Licht, wirkten unlogisch, lösten Widerwillen aus.

Im Grunde hätte die Geschichte funktionieren können, hätte ich nicht einen kleinen aber wichtigen Punkt außer Acht gelassen: die von mir selbst erdachte nicht gerade unkomplizierte Religion meiner Protagonisten und dazu noch einen Plotpunkt, mit dem ich mich im Nachhinein gar nicht mehr so recht anfreunden konnte.
Ursprünglich sah mein Plot nämlich eine Vergewaltigung und ein daraus resultierendes Kind vor. Ich tue mich mit Vergewaltigungen schwer, denn zum einen sind sie schon in so vielen Büchern als Plotbestandteil verwendet worden. Ich wollte meine Heldin nicht brechen, ich wollte sie in keine Krise stürzen, ich wollte keine Vergewaltigung nicht. Keine Leser, die mit den Augen rollen und „nicht schon wieder“ seufzen, keine Leserinnen, denen ich mit einer solchen Szene vielleicht auf die Füße trete oder bei der ich Wunden aufreiße. Zu heikel das Thema, zu oft schon von Autoren angefasst und mehr oder weniger gut umgesetzt. Mit der Vergewaltigung im Buch geht es mir wie mit der „ersten Periode“. Ich rolle inzwischen mit den Augen, wenn mir irgendwo wieder mal das unaufgeklärte Mädchen begegnet, das zum ersten Mal ihre Tage bekommt und glaubt, sterben zu müssen. Natürlich kann das ein einschneidender Moment im Lebe einer Protagonistin sein. Aber manchmal habe ich den Eindruck, dass solche Szenen geschrieben werden, weil… nun ja, weil man eben auch einmal so eine Szene schreiben wollte. Ich habe schon Bücher in die Ecke gepfeffert deswegen, und ich weiß von einer Freundin, die es nicht über sich gebracht hat, „Die Wanderhure“ zu lesen, wegen der Vergewaltigungsszene am Anfang. Nein, ich muss sowas nicht schreiben udn ich will sowas nicht schreiben, also baue ich meinen Plot neu, auch wenn ein „Kind der Gewalt“ gut hineingepasst hätte.

Also: Rückwärtsgang, noch mal alles auf Anfang und überlegt: wie kommt die Jungfrau zum Kind bzw. wie kommt der Nithyara-Clan an ein Kind, das sich später als extrem faules Ei herausstellt? Lösung: Es ist ein Kuckucksei, ein Waisenkind unbestimmter Herkunft, das von einer mitfühlenden Nithyarafrau auf der Jagd gefunden und mitgenommen wird -denn Kinder sind den Nithyara heilig, Kindern wird geholfen Kinder sind Zukunft.
Doch was ist dieses Kind, das wie ein Nithyarakind aussieht, aber ganz allein in einem Wald liegt, in dem es nur einen Nithyaraclan gibt -in dem aber gerade keine einzige Frau ein Kind erwartetet? Was ist das für ein Baby, das da ganz allein unter einem Baum liegt? Die Jägerin beschließt, es aufzunehmen und als eigenen Sohn aufzuziehen. Die Geschichte wird zeigen, was sie davon hat.
*böses fieses Autorenkichern*

Von der Idee zum Roman: (Haupt)-Figuren – von unkooperativ bis anbiedernd

Weiter geht’s mit meiner kleinen Zusammenfassung, wie ich einen Roman schreibe. Ich betone das hier so deutlich weil dieser Leitfaden sicherlich nicht für jeden etwas ist, aber es ist die Methode, die für mich funktioniert.

Eigentlich wollte ich mit dem roten Faden weitermachen, aber ich werde mir selbst untreu und schiebe noch ein kleines Kapitel über Figuren und ihre Entwicklung dazwischen, denn oft ergibt sich der Plot bzw. der rote Faden aus dem, was ich an Hintergrundinformationen für meine Figuren zusammentrage.

Eine Figur ohne Hintergrund ist eine leere Hülle. Ich weiß vielleicht, wie er oder sie aussehen soll, aber Aussehen allein macht noch keinen „Charakter“ aus der Figur. Auch gehöre ich zu den Autoren, die grundsätzlich nicht über eine Figur schreiben können, wenn sie noch keinen Namen hat. Da bin ich extrem pingelig. Platzhalter wie „XY“ oder „Gurkensalat“ helfen mir da auch nicht weiter. Ich brauche Namen und verbringe oft Stunden damit, nach der passenden Buchstabenkombination für bestimmte Figuren zu suchen.

Am Beispiel „Schattenschleicher“ dargestellt: ich habe meine Hauptfigur, den Nithyara „Traumweber“. Er macht es mir leicht, da ich sein halbes Leben bereits kenne. Ich kenne ihn als Erwachsenen, kann mir also überlegen, was ihm in seiner Kindheit und Jugend alles zugestoßen und passiert sein könnte, damit er am Ende der Mann wird, als den ich ihn kenne. Warum zum Beispiel musste er den Nithyarastamm verlassen, in den er hineingeboren wurde? Wer ist die Bezugsperson, von der er später Feuersänger erzählt und von der er sagt, er habe einmal jemanden verloren, der ihm sehr viel bedeutet hat? Der Einschnitt muss krass gewesen sein, denn Traumweber, der später den Namen Silbersang beommen soll, leidet seitdem unter erheblichen Bindungsängsten – ein Trauma für einen Nithyara, also: was ist passiert und wer war diese andere Person?

Kommen wir zur Hauptfigur Nummer 2, zugleich dieser mysteriöse Freund und später Antagonist in der Geschichte. Der Dunkelelf. Der Herr hat es mir schwer gemacht. Zuerst weigerte er sich, seinen Namen zu verraten, dann wollte er nicht damit rausrücken, was ihn, den Dunkelelfen, dazu treibt, sich mit einem Nithyara, dem Erzfeind, anzufreunden.
Geholfen hat mein geliebter Tintenzirkel und das „Charakterinterview“. Sesnan, so der Name des Dunkelelfen, musste sich den unangenehmen Fragen meiner Mit-Tintenzirkler stellen. Aus dem Interview ergab sich: Sesnan lernt Traumweber kennen, während er noch in seiner Ausbildung zum Spurenleser und Krieger steckt, Sesnan ist ehrgeizig, eigenbrötlerisch, stur und „eingewachsen“ in die Traditionen und Vorurteile seines Volkes.

Es wird spannend werden, diese beiden so unterschiedlichen Herrschaften aufeinanderprallen zu lassen. Nächstes Mal geht es dann weiter mit dem roten Faden: wie bekomme ich es hin, dass Sesnan und Traumweber tatsächlich die für den Plot so wichtige Freundschaft schließen? Und wie zerstöre ich alles Aufgebaute dann so nachhaltig, dass Traumweber von seinem eigenen Stamm verstoßen wird bzw. ihn aus Gründen des Ehrgefühl verlässt oder verlassen muss?
Wie wird aus Traumweber Silbersang?
Und was wird aus Sesnan, wenn alles um ihn zerbricht?