Von Schneeflockenplottern und Bauchschreibern

kreativchaosVorweg: Dies ist kein Schneeflockenbashing. Es gibt Autoren, die mit der Schneeflockenmethode wunderbar zurechtkommen und denen sie wirklich hilft. Diesen Autoren möchte ich ihr Plotwerkzeug auf keinen Fall madig machen.
Mir geht es darum, dass die Schneeflocke nicht für jeden – und auch nicht für mich – das richtige Werkzeug ist.
Kurz und knapp: Schneeflockenmethode – was ist das eigentlich?
Ein Plotwerkzeug, das einem Autor hilft, Struktur in seine Ideen zu bringen und nach einem durchlaufenden roten Faden zu plotten. Dabei erweitert sich das Konzept wie eine sich immer mehr verzweigende Schneeflocke von einem zentralen Punkt aus. Randy Ingmarson beschreibt die Methode ausführlich in diesem Artikel. Eine deutsche Übersetzung findet sich z.B. hier.

Schneeflocke in der Nussschale –  In vielen kleinen Schritten zum ausgefeilten Romankonzept
Schritt 1: Fasse deinen Roman in einem Satz zusammen
Schritt 2: Erweitere den Satz aus Schritt 1 zu einem Absatz
Schritt 3: Charakterisiere kurz und knapp deine Hauptfigur
Schritt 4: Erweitere jeden Satz deiner Zusammenfassung aus Schritt 2 zu einem weiteren Absatz – fasse deinen Roman auf einer Seite zusammen
Schritt 5: Beschreibe jede deiner Hauptfiguren ausführlich. Eine Seite pro Figur!
Schritt 6: Erweitere deine einseitige Romanzusammenfassung auf vier Seiten. Details, bitte!
Schritt 7: Arbeite deine Figuren weiter aus. Schreibe komplette Charakterbeschreibungen. Aussehen, Alter, Familienhintergrund, Augenfarbe, Blutgruppe. Details. Viele Details.
Schritt 8: Erstelle aus dem Dokument aus Schritt 6 eine Szenenübersicht. Am besten tabellarisch.
Schritt 9: Verfasse eine erzählende Beschreibung deiner Geschichte mit den Informationen aus Schritt 4 bzw. 6. Wenn du es machst, hast du gleich die Basis für ein Exposé.
Schritt 10: So. Jetzt darfst du endlich schreiben.

Und ich?
Ich habe es versucht. Ich habe es wirklich versucht, nach dieser Methode zu arbeiten. Und festgestellt, es ist nicht meins. Was nicht bedeutet, dass ich meine Gedanken und Ideen nicht ordnen muss.
Im Gegenteil.
Ich bin bekennende Chaos-Jüngerin und brauche nichts mehr als Struktur und Ordnung in meinen Ideen, damit ich produktiv arbeiten kann – aber nicht so.

Wenn ich eine Idee habe, dann möchte ich schreiben. Jetzt. Aus dem Bauch raus. Mit Gefühl. Mit Leidenschaft. Ich starte mit einer groben Idee und groben Figurenmustern und beginne, eine Geschichte zu erzählen, die ich selbst noch nicht in allen Facetten kenne.
Genau das macht für mich den Reiz des Schreibens aus. Und darum habe ich mir für meine Arbeitweise brauchbare Elemente aus der Schneeflocke herausgepickt, aber mache mir nicht die Arbeit, das komplette Modell durchzuackern.

Denn damit kenne ich meinen Roman dann schon so gut, dass mich an ihm nichts mehr überraschen kann. Und das nimmt mir viel am Schreibspaß und den Grund, warum ich (nicht nur. Aber auch.) schreibe: Ich will mir Neugier bewahren. Mich von meiner eigenen Geschichte und meinen eigenen Romanfiguren überraschen lassen. Mit ihnen in Dialog treten. Mich mit ihnen streiten. Es spannend halten. Details entwickeln, während ich schreibe, und nicht vorher. Auch wenn das bedeutet, dass ich hin und wieder zurückspringen und eben diese Details anpassen muss.

Ich gehe Schritt 1 und habe meinen Romanpitch. Super, denn das spart Arbeit für eventuelle verlags-oder Agenturbewerbungen.
Ich mache die Schritte 4 und 6, manchmal auch 8, bastele daraus ein Exposé.
Notiere mir wichtige Details zu meinen Figuren, damit ihre Namen immer gleich lauten und ihre Augenfarbe auf Seite 259 noch immer dieselbe ist wie auf Seite 1.

Und dann – dann gehe ich schreiben. Und lasse mich überraschen.

Und ihr? Wie plottet ihr?

Manuskriptnekromantie – 4 Tipps zum Wiederbeleben von Schubladenmanuskripten

typewriterSchubladenmanuskripte und halbfertige Romanzombies – welcher Autor kennt das nicht?
Da ist der nicht fertige Roman aus dem NaNoWriMo. Die im ersten Moment so genial wirkende Jugendbuch-Idee. Das voller Enthusiasmus begonnene und dann nie wieder angefasste High-Fantasy-mit-Aliens-Projekt.

Hand aufs Herz – jeder hat ihn, diesen Ordner namens „zu beenden“ oder „halbfertig“, diese Festplattenbücher. Und jeder kennt das – diese Scheu, sich wieder an lange nicht bearbeitete Manuskripte zu setzen.

Ich auch.

Und darum teile ich hier mit euch ein paar meiner Tricks, wie du dich motivieren kannst, so einen Romanzombie wieder zum richtigen Leben zu erwecken.
#1 Lesen

Ja, auch wenn es viel ist, auch wenn du denkst, du kommst einfach so wieder rein und kannst einfach so weiterschreiben. Lies das alte Zeug noch einmal. Wenn du magst, lass den inneren Lektor mitlesen. Korrigiere Tippfehler. Beobachte Handlungsstränge, Figuren und Stil. Wie fühlt sich das Buch an, wie lebendig sind die Figuren, was fühlst du beim Lesen – und kannst du dir vorstellen, beim Schreiben dasselbe wieder zu fühlen? Riechst, siehst, schmeckst du etwas beim Lesen? Springt das Kopfkino an?

 

#2 Check: Ist noch genug Liebe da?

Ein kritischer Blick. Gefällt dir das Manuskript noch? Oder gab es einen Grund, warum es damals in der Schublade verschwand? Springt beim Lesen der Funke über? Fragst du dich, warum du gerade dieses Buch damals unbedingt schreiben wolltest? Denkst du vielleicht sogar: Wow. Das habe ICH geschrieben?

Wenn nicht mehr genug Liebe da ist, sorge dafür, dass das Manuskript aus deinem direkten Sichtbereich verschwindet. Magst du es nicht löschen, dann speichere es auf einer Wechselplatte, brenne es auf eine CD oder schiebe es auf einen USB-Stick. Oder schicke es an Freunde und bitte sie, es für dich aufzubewahren. So ist es nicht „weg“, aber es steht dir auch nicht ständig vor Augen und kann dich nicht mehr belasten oder dir ein schlechtes Gewissen machen.

Und wenn du weißt, warum du genau dieses Buch damals schreiben solltest: dann verliebe dich neu. Und schreib das Ding.

 

#3 Plotten – mach es spannend

Hast du es nicht schon getan, plotte. Wenigstens grob. Nach meiner eigenen Erfahrung verschwinden die meisten Manuskripte in der Versenkung, weil ich nicht weiß, wie es weitergehen soll. Weil mich der berühmte Mid-Book-Blues gepackt hat. Geht es dir genauso?

Dann überlege dir, wie es weitergehen soll, bevor du dich wirklich aufs Schreiben stürzt. Wo willst du mit deiner Hauptfigur hin, was plant der fiese Bösewicht? Wo stecken Konflikte? Wendepunkte?

Vielleicht war es auch ein Mangel an Spannung und/oder Konfliktpotential, was dein Manuskript in die Schublade verbannte. Suche nach Stellen im Manuskript, an denen du mehr Spannung und mehr Konflikte integrieren kannst. Mach es spannend! Für deine Leser. Aber vor allem für dich.

 

#4 Schreib!

Genau. Schreib. Setz dich dran. Nimm dir vor, jeden Tag wenigstens einen Satz an dem Ausgrabungsobjekt zu schreiben. Meist bedingt ein Satz den nächsten. Fürchtest du, wieder nicht am Ball bleiben zu können, sorge für Motivation von Außen.
Suche dir Romanpaten oder Betaleser, die in regelmäßigen Abständen nach „mehr“ brüllen. Stell schon mal den Sekt kalt, den du köpfen wirst, sobald du das Wort „Ende“ getippt hast. Schick den inneren Kritiker zum Haitauchen auf die Malediven und verliebe dich neu in dein Buch. Wenn du bis hierher gekommen bist, dann hat es das verdient.

 

Und nun: viel Erfolg!

Hilfe – ein Logikloch!

kreativchaos Ihr erinnert euch. Die „Zwielichter“ machen Pause. Schuld daran sind zwei Dinge. Zum einen ist das Manuskript noch nicht komplett fertig. Es fehlen noch Die Böse Wendung kurz vor Schluss und natürlich Das Tolle Ende mit ganz viel Drama und Heldentränen.
Zum anderen – und das ist ein viel größeres Problem – hat eine meiner Betaleserinnen ein Logikloch im Manuskript entdeckt und mir liebevoll eingepackt rübergereicht.

Ein Logikloch.

Panik.

Erste Reaktion: „Oh nein, ich werde das gesamte Manuskript in die Tonne treten udn nie wieder daran schreiben, alle Bolgeinträge dazu löschen und noch mal ganz von Vorn anfangen.“

Zweite Reaktion: Okay. Nachdenken. Fragen wir doch mal nach, wo sich das böse Logikloch befindet.

Und die große Erleichterung: auf den letzten Seiten, und es lässt sich ausbügeln, ohne dass ich alles, was schon geschrieben wurde, umbauen und umbasteln muss.

Trotzdem wird es bis April dauern, bis es wieder Zwielichtschnipsel gibt.

Logiklöcher und ich – eine ewige Hassliebe. Ich bin Wenigplotter und Bauchschreiber. Fixe Ideen nisten sich beim Schreiben im Kopf ein und ploppen dann plötzlich zu Unzeiten wieder auf. Meistens bringen sie auch noch einen ganzen Wurf kleiner Ideenwelpen mit, die mir kläffend um die Füße rennen und alle zur gleichen Zeit Aufmerksamkeit wollen.

Und ich denke: Ach, du bist aber eine niedliche Idee, komm her, dich verarbeite ich jetzt zu einer tollen Szene. Das wird super.
Die Idee grinst, frisst meine Schokolade,  schlürft meinen Kaffee und setzt sich auf meine Tastatur.
Und ich schreibe so wild drauflos, dass ich gar nicht mehr darüber nachdenke, was vorher gewesen ist. Es zählt, was jetzt passiert. Die tollen Szenen, die mir diese niedliche kleine Idee einflüstert, die inzwischen vollgefresen auf dem Rücken liegt und immer noch grinsend dabei zusieht, wie ich mich um Kopf und Kragen schreibe.

Und schon ist es passiert. Der nächste, der die Ausgeburt meiner Kreativität liest, findet das Logikloch.
Was lernen wir daraus? Erst denken. Dann schreiben.

Und vielleicht doch mal plotten. Es muss ja nicht gleich die Schneeflockenmethode sein.

Warum die (und überhaupt ausgiebigstes Plotten) nicht so meins ist, erzähle ich euch in einem meiner nächsten Einträge zum Thema „Schreiben“.

 

Und ihr so? Plotten, nicht plotten? Was war euer dickster Logik-Klops? Erzählt mir etwas!